Abschied von Johannes Weinberger, 1975 – 2022

Ich kann mich noch genau an meine erste Begegnung mit Johannes Weinberger erinnern: Es war am 23.08.2002, ein sehr heißer Sommertag und ich bin damals extra nach St. Pölten gefahren, um ihn kennenzulernen. Der Verlag war gerade gegründet und wir suchten Autor*innen für das erste Buch (eine Anthologie), Johannes Weinberger war einer von ihnen. Ich war etwas zu früh am Treffpunkt und konnte sein Ankommen beobachten, ohne dass er mich erkannte. Er war trotz HItze schwarz gekleidet, eher klein, zierlich, sah sich um, zündete sich schließlich eine Zigarette an. Wir haben an diesem Tag noch viel schwarzen Kaffee getrunken und er hat für uns beide geraucht. Wenige Monate später ist das erwähnte Buch erscheinen, er war mit drei kurzen Texten darin vertreten.

Wir bremsen rechtzeitig, wir lernen es, sagst du. Es ist, als ob man kurz eingenickt ist und aus einem Traum erwacht, an den man sich kaum erinnern kann, außer, dass er unangenehm war, oder so ungefähr, nicht ganz, du verstehst es nicht.
Genau, sage ich.
(JW, 2002)

Das war der Beginn einer langen Zusammenarbeit: Sieben weitere Einzelveröffentlichungen sind von ihm bei Luftschacht erschienen. Es war eine spannende und aufregende Zeit, mit vielen durchzechten Nächten und großen Plänen; und Johannes Weinberger war schließlich auch jener Autor, mit dem der Verlag erstmals etwas größere Aufmerksamkeit bekam. Ich hab in einem Vorwort zu seinen Texten diese einmal als latent und vertraut bedrohlich bezeichnet, und dass seine Sprache eine Art Sog erzeugt, eine Spirale, deren Bahn man nicht mehr verlassen kann, auf ein Zentrum zu, das man nie erreicht.

Ich dachte immer, für mich
wird das Leben eine Ausnahme machen.

Schwarz und voller Vögel war 2011 Johannes Weinbergers letzte Veröffentlichung, dann ist es still geworden um den Autor und auch die über Jahre eng gewordene Freundschaft verlief ohne speziellen Grund; wir hatten andere Wege eingeschlagen und seiner war wohl der schwierigere. Ich dachte immer, für mich wird das Leben eine Ausnahme machen hatte er mir einmal in einem unserer letzten Gespräche gesagt. Er hatte in den letzten Monaten wieder zu schreiben begonnen und wieder Musik gemacht, seine zweite große Leidenschaft. In der Nacht auf den 19. Mai 2022 ist Johannes Weinberger völlig überraschend verstorben. Wir haben am 29. Juni zusammen mit seiner Familie und seinen Freunden von ihm Abschied genommen.

Autor, Freund, Weggefährte, er wird uns fehlen.

Mein Name
ist in den kalten klaren Fluss gefallen der in alles mündet:
ich werde nicht hören
dass du mich rufst.
Um jede Ecke
spähen die Menschen nach ihrer Zukunft stürzen vor mir davon
denn nur das Namenlose
ist nicht zähmbar.
Bald ist die Stadt
allein mit mir.
Jetzt sei die Strasse mein Bett
der Himmel mein Sargdeckel
ich bin bereit zu zerfallen
in dieser engen Welt:
Unbenannt
(JW, 2021)