Stefan Buchberger

Foto: Gabriela Koch

Stefan Buchberger verlässt Luftschacht Verlag
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Verleger Stefan Buchberger verlässt mit Mai den Luftschacht Verlag. Sein Gesellschaftsanteil geht an Jürgen Lagger über, der die Geschäfte alleine weiterführen wird. An der programmatischen Ausrichtung des Verlags sind zunächst keinerlei Änderungen vorgesehen. Buchberger wird dem Unternehmen auch in Zukunft als externer Dienstleister zur Verfügung stehen.

Einige persönliche Abschiedsworte von Stefan Buchberger:

An die vielen Menschen, die in meiner Zeit als Luftschacht-Verleger mit mir gearbeitet haben oder mir in irgendeiner Weise nahegestanden sind:

Glaubt nicht, dass mir die Entscheidung leicht gefallen ist! Aber ich verabschiede mich von meinem Verlag in Freundschaft und im Großen und Ganzen mit einem recht positiven Gefühl.

Wer damals dabei war oder später die mediale Berichterstattung über uns mitverfolgt hat, weiß, dass Luftschacht anfangs viel mehr Experimentierlabor war als irgendetwas sonst und schon gar keine Geschäftsidee – vor 13-einhalb Jahren zunächst ein Label für eine Veranstaltungsreihe, aus dem später der Buchverlag hervorgegangen ist.

Wahrscheinlich wären die meisten Literaturverlage erst gar nicht gegründet worden, wenn ihre Betreiber schon gewusst hätten, worauf sie sich einlassen. Ich behaupte das zumindest für die erste Hälfte der Nullerjahre, als in Deutschland gerade eine Gründungswelle im Gang war – übrigens ein Phänomen, von dem wir damals keine Ahnung hatten. “Junge Verlage” oder “Independents” wurden erst mit der Zeit zu festen Schlagworten innerhalb und außerhalb der Branche.

Ich spiele darauf an, weil Begriffe wie “Unabhängigkeit”, “Abenteuer”, “Authentizität” oder das auch heute noch schöne “Sendungsbewusstsein” – große Worte, die vor Selbstbewusstsein (und Naivität) nur so strotzen – auch für die Gründung des Luftschacht Verlags so zentral waren. Sie stehen für den ungestümen Tatendrang, der uns in den ansatzweise wahnsinnigen Gedanken getrieben hat , die Verlegerei neu erfinden zu wollen.

Nachdem wir erst einmal gar nichts neu erfunden haben, sondern als Anfänger eine Lektion nach der anderen lernen mussten, wollten wir der Welt um uns herum aber wenigstens ein Geschenk machen. Und zwar ehrlich uneigennützig – solange eben das, was wir dafür tun mussten, überwiegend interessant und aufregend für uns war.

So sind die Jahre vergangen. Ziemlich lange konnte man vom “jungen Verlag aus Wien” lesen. “Ambitioniert”, “engagiert” usw. Das hat uns auch ziemlich lange gefallen. Und als das in den letzten, ungefähr zwei Jahren weitgehend verschwunden war und wir stattdessen auf einmal vom “etablierten Luftschacht Verlag” lasen und hörten, hat mir das zwar auch gefallen, aber es hat mir komischerweise nichts bedeutet. Die Tretmühle hatte mich schon fest im Griff.

Und schon kommen die großen Worte wieder, aber es ist nun einmal so: Ich vermisse das Abenteuer. Das spielerische Herantasten an etwas Unbekanntes. Die positive Anspannung, wenn alles schiefgehen kann, weil man es zum ersten Mal tut.

Ich habe erkannt, dass ich nicht länger bereit bin, mich zu prekären Bedingungen ganz einer Aufgabe zu widmen, die mir im Wesentlichen zur Routine geworden ist. “Prekär” ist in unserem Zusammenhang ein Euphemismus, aber das wäre ein Thema für sich.

Es wird weiterhin ums Publizieren gehen in meinem Leben. Digitale Formate, Self Publishing, die Strukturveränderungen im Buchhandel: viel Entwicklung, wenig Vorhersehbares, ziemliches Neuland – für mich persönlich ist das eine feine Sache. Ich lese, lerne und tüftle, wann immer es sich ausgeht. Etwas Neues auszuprobieren macht mir Spaß. Mit meiner traditionell geprägten Verlagsarbeit ist das zeitlich leider nicht mehr länger vereinbar.

Wo er mich brauchen kann, dort werde ich meinen Freund Jürgen Lagger in Zukunft von außen unterstützen. Es gibt genügend Überschneidungen mit meinem neuen Interessensbereich. Und wenn er morgen schon einen vollwertigen Ersatz für mich gefunden haben sollte, wäre ich zu Recht ganz aus dem Spiel.

Für einen so kleinen Verlag mit so hohem Anspruch werden die Bedingungen immer schwierig sein. Der Luftschacht Verlag steht heute allerdings in jeder Hinsicht besser da als je zuvor, und ich bin überzeugt, dass er seine Position in den kommenden Jahren noch weiter festigen wird. Wirklich etabliert erscheint mir ein Unternehmen erst dann, wenn man es nicht mehr dazusagen muss.

In der Phase großer Veränderungen, in der sich mit Verzögerung jetzt auch der deutschsprachige Buchmarkt befindet, haben kleine, erfinderische und reaktionsschnelle Verlage nicht sooo schlechte Karten, meine ich. Zumindest dann, wenn sie von einem leidenschaftlichen Verleger angetrieben werden, der unbeirrbar für seine Inhalte brennt, der Bücher und der Literatur wirklich liebt und dem man das auch auf Anhieb glaubt.

Jürgen Lagger ist so einer. Er macht als Verleger einfach eine gute Figur. Da hat die Berufswahl halt gestimmt.

Ihm möchte ich allen voran für die coolen Erfahrungen danken, die wir gemeinsam als Verleger mache konnten. Dieser Dank gilt auch unseren (freien) Mitarbeitern und Praktikanten, die sich gemeinsam mit uns ausgebeutet haben und die zu manchen Zeitpunkten die dringend nötige Portion Neugier und Optimismus hereingebracht haben. Einen besonderen Anteil hat Florian Anrather, der den Verlag über einen langen Zeitraum ganz entscheidend mitgeprägt hat.

Und ich möchte mich bei allen Autoren, Herausgebern und Übersetzern bedanken, die mir ihr Vertrauen geschenkt, mit mir gestritten und mir wieder verziehen haben. Die eine oder andere Beziehung setzt sich ins Private fort, manchen werde ich sicher wieder begegnen, anderen vielleicht nicht. Wie es eben so ist. Trotzdem ist das ein Lebensabschnitt für mich.

Vielen Dank unseren Verlagsvertreterinnen. Ich glaube euch euer beständiges Engagement für unseren “schwierigen” Verlag. Ich wünsche euch massige Verkäufe nicht nur unserer beliebten Kinderbücher, sondern auch der schwierigeren Belletristik, für die sich alle den Arsch aufreißen. Ein Mörderjob, den ihr da macht und über den man außerhalb der Branche viel zu wenig weiß.

Liebe Buchhändler, euch muss man das nicht erzählen, ihr wisst das sehr wohl. Ich hatte kaum persönlichen Kontakt zum Handel, weil das nicht unter meine Aufgaben gefallen ist. Darum mache ichs mir einfach und bedanke mich für die schönen Momente der Genugtuung, immer wenn ich einem Stapel eines Buches bei euch begegnet bin, an dem ich zuvor noch herumlektoriert hatte.

Ich mache weiter mit den Rezensenten und Veranstaltern: Dass der Verlag zu der, gemessen an seiner Größe und seinem tatsächlichen Einfluss, relativ hohen Anerkennung gelangt ist, sehe ich in erster Linie als Verdienst der zahlreichen glühenden Entdecker und Idealisten unter euch. Ganz egal ob großes oder kleines Medium, traditionsreiches Literaturhaus oder vernebeltes Hinterzimmer: Ihr seid überall zuhause.

Ach ja, und die “Kollegen”, wie es so schön heißt – gemeint sind natürlich die Konkurrenten, aber das sagt niemand, was wahrscheinlich daran liegt, dass es sich selten wie eine Konkurrenz anfühlt, wenn man gemeinsam auf der Buchmesse abhängt oder man sich Rat und Trost beieinander holt. Also ihr Konkurrenten, manche von euch kenne ich ganz gut und mag ich sehr gern. Wir werden uns ohnehin wieder begegnen. Und ihr anderen, es ist leider so, dass es mich automatisch an die Ränder treibt, sobald wo ein Getummel ist. Mit vielen von euch hab ich mich daher viel zu wenig ausgetauscht. Wir sehen uns in Frankfurt.

Und alle, die oben nicht angesprochen werden, sich nicht angesprochen fühlen, aber mitgemeint sind: Kommt in meine abschließende Umarmung, ihr seid die Wegbegleiter, die Förderer und die Luft, die durch den Schacht weht. Der Geist, den jede ambitionierte Unternehmung braucht, um überhaupt erst von der Stelle zu kommen.

Alles Liebe
Stefan Buchberger

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